Gäste-Blog von einem ausgewiesenen Fachmann – Horst-Klufti-Hybrid-Hürthi ihm seine Anmerkungen über Stärken und Schwächen der Dabro-Elf (bisher)

Mit dem Anbruch des neuen Jahres ist es höchste Eisenbahn, ein sportliches Resümee der Hinrunde der Saison 2023/24 zu ziehen, sonst ist der Zug abgefahren, wenn der Oberlokführer-Sachse es denn zulässt.

Musste nicht lang überlegen, wer im sportlichen Bereich die größte Überraschung war.

Nein, nicht Sapina, Brumme, Müsel oder etwa Obuz, für mich ist es eindeutig der Coach: Christoph Dabrowski, der eine für mich nicht vorstellbare Entwicklung genommen hat. Hatte ich wie viele – die allerdings nichts mehr davon wissen wollen, denn der Erfolg hat bekanntlich viele Anhänger – zum Ende der vergangenen Saison große Zweifel, ob er noch der richtige Coach für RWE sei, und ihn insgeheim „Pattex Dabro“ tituliert, weil er so fest auf seinem Posten klebte, so hat sich meine Sichtweise auf ihn beinahe komplett geändert, weil er mit dem gezielt verstärkten Kader eine so kaum zu erwartende äußerst positive Entwicklung genommen hat. Mit einer Einschränkung: In dem Maße, wie seine Befürworter in der abgelaufenen Saison wohl zu Recht darauf verwiesen, dass man aus dem Spielerkader nicht mehr herausholen konnte, muss man jetzt im Umkehrschluss auch darauf verweisen, dass seine Entwicklung ohne die Neuzugänge wie u. a. Sapina, Brumme sicherlich auch nicht so möglich gewesen wäre.

Da sind wir dann auch schon auf dem leider an der Hafenstraße oft nicht so grünen Rasen angelangt und damit auch bei Sapina, der für mich als verlängerter Arm des Trainers, aber auch aus sich heraus als Spieler und Persönlichkeit der Erfolgsgarant für die äußerst positive Hinrunden Bilanz war. Der „Krake“ aus Ulm leistet nicht allein sportlich Überragendes auf seiner Position, nein, er hebt mit seiner Dominanz und Ballsicherheit die Qualität seiner Mitspieler u. a. der Innenverteidigung in der Spieleröffnung und konkret auch von Müsel und Harenbrock im Mittelfeld. Sapina verkörpert wie kein anderer den Quantensprung, den das Spiel von RWE genommen hat. Zumal er auch neben Golz und Alonso/Götze Teil einer sehr stabilen Achse ist, die sich als „Hinterachse“ sehr gut entwickelt hat, während die „Vorderachse“ noch feinjustiert werden muss. 

Wenn ich Jahrzehnte zurückdenke, und das sind nicht wenige, da ich Hermann „fausten“ Roß schon erleben durfte, hat mich selten ein Torwart so wenig zittern lassen wie Jakob Golz. Eine vergleichbare Bank ist Götze auf der linken IV-Position und auch Alonso, der für mich oft zu wenig Beachtung findet. Denn trotz seiner gelegentlichen Böcke ist der junge Mann ein bärenstarker Innenverteidiger, der oft auf den Tribünen meines Erachtens nicht richtig wertgeschätzt wird.

Aber so ist es bisweilen nun mal, der Prophet zählt nichts im eigenen Land, genießt bei den Gegnern aber oft höchste Wertschätzung: wie z. B. Isy Young. Ein Spieler, der unglaublich in der Fanszene polarisiert, den ich aber sehr mag und schätze, weil er immer etwas bewegt, versucht, ein richtiger Straßenfußballer halt. Genauso wenig, wie ich die Anti-Dabrowski-Aktionen nicht nur auf der West verstanden und gutgeheißen habe, kann ich es verstehen, dass Zuschauer auf der Rahn in einem der letzten Heimspiele „Isy raus“ skandierten. Wer viel versucht, macht auch einiges falsch, wer nichts versucht, fällt nicht auf, hat aber das Spiel nicht verstanden.

Ein Paradebeispiel für Dabros gute Arbeit ist die Linksverteidigerposition. Obwohl mit Brumme ein exzellenter Spieler auf der Position vorhanden ist, hat er es geschafft mit Voelcke einen Nachwuchsspieler zu entwickeln, der in der Lage ist, Brumme in Endphasen gleichwertig zu ersetzen und neue Dynamik ins Spiel zu bringen, wie z. B. gegen Halle. Auf der rechten Seite hält er hoffentlich Wiegel ähnlich im Rennen. Kourouma kann jederzeit einen Ausfall in der Innenverteidigung kompensieren.

Die Außen sind mit Young und Obuz, der eine sehr gute Entwicklung genommen hat und vermutlich auch aufgrund der Kölner Transfersperre nicht zu halten sein wird, gut, leider aber ohne Back-ups besetzt. Dafür haben wir jedoch mit Vonic, „Eisenbrust“ Doumbouya und Berlinski drei Mittelstürmer, mehr Masse als Klasse? Keineswegs, Vonic traue ich eine sehr gute Entwicklung zu, wie er es auch zuletzt gegen Köln unter Beweis stellte. Bei Vertrauen durch den Staff und jeder Menge Spielzeit werden wir noch viel Freude an ihm haben.

Sportlich traue ich mir keine Vorhersage für die Rückrunde zu, ob sich das sicherlich auch erkämpfte Spielglück 2024 so fortsetzt, weiß niemand. Mit dem Abstieg werden die Roten wohl nichts zu tun haben, darüber hinaus müssen sie jede Chance ergreifen, die sich ergibt.

Wir Fans werden uns allerdings daran gewöhnen müssen, dass Spieler RWE verlassen werden, die sich durch gute Leistungen in den Fokus anderer Vereine gespielt haben. Das bleibt leider bei sportlichem Erfolg nicht aus, ist aber andererseits eine Bestätigung guter sportlicher Arbeit.

Seit den „Willi, Du darfst nicht gehen“-Gesängen ist es ein automatischer Reflex der meisten RWE-Fans, gute und wichtige Spieler möglichst mit lebenslänglichen Verträgen auszustatten, aber die Zeiten haben sich geändert und die Dritte Liga stellt eine spezielle Herausforderung dar. Wir werden mit Zu- und Abgängen und Leihverträgen leben müssen, deswegen kommt dem Scouting und der Kaderplanung eine immer größere Bedeutung zu. Da habe ich jedoch großes Vertrauen in die handelnden Personen.

Zur Person:
"Happo hat mich Hürthi getauft, quasi meine Essener Identität. Mein richtiger Name lautet Horst Dombrowski. Aufgewachsen bin ich in Holsterhausen und Rüttenscheid. Der Droge RWE bin ich seit 1966 verfallen. Durchs Studium kam ich 1975 nach Köln, später nach Hürth. Die Leidenschaft für die Rot-Weissen hat sich bis heute erhalten. Bisweilen gehe ich meiner Umgebung hier damit auf den Wecker. Aber das gehört dazu, mehr denn je".