14.07.2022 – 16.01 Uhr – Erste Etage Stadion an der Hafenstraße, der Machtzentrale von Claudia Gerig.

Ein langer Kerl mit kurzer Hose kommt mir und Kommunikationsprofi Noah Peil auf dem Gang zu den VIP Logen entgegen. Christoph Dabrowski, der „Neue“ an der Außenlinie bei den Rot-Weissen, nimmt sich Zeit für ein Gespräch mit mir. Keinesfalls selbstverständlich in meinen Augen, doch für „Dabro“ kein Problem, sich Zeit für einen Fan freizuschaufeln.

Da auf Noah viel Arbeit wartet und Vorstandsboss Marcus Uhlig sicherheitshalber „Außer-Haus-Termine“ wahrnimmt, sitze ich mit Christoph Dabrowski allein an einem runden Tisch, (ohne Gebäck) in einer Loge im Essener Tempel.

Das Kennenlern-Gespräch kommt sofort in Schwung. Abtasten kannste getrost vergessen. Liegt an der offenen Art vom Kautsch. Ob er vorgewarnt wurde?

Ganz unvorbereitet bin ich natürlich auch nicht dort aufgetaucht. Mit meiner ersten Frage gelingt mir ein kleiner Überraschungserfolg. Kurzes Zucken über dem linken Auge bei Dabro.

„Würdest Du im Bedarfsfall ein Hörgerät von Kind oder Geers anfertigen lassen?“  

„Bei Geers natürlich, weil dazu freundschaftliche Verbindungen bestehen“.

Jetzt zucken meine Wundwinkel.

Christoph Dabrowski wäscht keine schmutzige Wäsche, redet auch nicht schlecht über seinen ehemaligen Vorgesetzten Martin Kind. „Die Trennung war eine saubere Geschichte. 96 hatte andere Pläne, mein Vertrag lief zum 30.Juni aus. Alles gut“. Froh war er über das dortige Ende natürlich trotzdem nicht.

Geht eine Tür zu, öffnet sich die nächste.

Und jetzt ist er sehr, sehr froh, bei Rot-Weiss Essen gelandet zu sein. Der „Lange“ gerät ins Schwärmen, spricht von dieser Wucht, dieser Euphorie im Umfeld, von seinen hochmotivierten Jungs.

Voll des Lobes ist er auch über den vorhandenen Trainerstab. „Alle sind charakterlich wie fachlich Eins-A. Es macht Spaß, mit und in so einem Team zu arbeiten“.

Der Kontakt zu RWE ist über Jörn Nowak hergestellt worden, nachdem der Aufstieg in trockenen Tüchern war. Ihre Ansichten über Fußball stimmen überein. Er kann seine Philosophie in diesem emotionalen Verein so umsetzen, ohne sich verbiegen zu müssen oder gegen seine Überzeugungen zu handeln.

Seine Begeisterung steckt an. Da ist nichts gespielt. „Unter uns, mein Sohn spielt ja in der U16 beim VfL Bochum. Zu Hause läuft er aber im RWE-Trikot herum“.

Wieder ein Schwenk weg vom Sportlichen. Erneut überrasche ich den Trainer, als ich ihm eine Rote Beete sowie eine Gummiente überreichte.

Hatte im Vorfeld gelesen, dass im Hause Dabrowski zu Weihnachten auf dem üppig gedeckten Tisch die Rot-Beete Suppe sowie entweder Ente oder Karpfen nicht fehlen darf. Ein wunderbarer Aufhänger zur Frage nach einem Ernährungsplan für die Spieler.
„Ich halte nichts von solchen Vorgaben. Die Jungs werden schon wissen, was ihnen guttut. Außerdem sorgt das Training dafür, dass ungesundes Essen nicht unbedingt förderlich fürs Wohlbefinden ist“. Dabei schmunzelt er vielsagend.

Wie er es denn schaffen will, aus dem großen Kader die erste Elf für das Elversberg-Spiel herauszufiltern, ist meine nächste Question.

Nach gut vier Wochen harter Zusammenarbeit kennt er seine Schützlinge schon sehr gut. Jedes Training, jedes Testspiel wird per Video festgehalten und mit dem Trainerteam besprochen. Grundsätzlich werden nicht immer die besten Fußballer auflaufen, sondern es muss einfach passen. Wer harmoniert mit wem am besten, welche Spieler können Spezialaufgaben erfolgsversprechend erledigen. Der Mix innerhalb des Teams muss stimmen.

Junge Leute zu fördern und zu fordern, das hat er in Hannover gelernt. Im Unterschied zum Nachwuchsbereich setzt er im Seniorenbereich andere Schwerpunkte, auch weil Akteure sowie Verein, andere Zielvorstellungen haben.

Großen Wert legt C.D. auf eine enge Verzahnung mit dem NLZ. „Rot-Weiss leistet auch in diesem Bereich sehr gute Arbeit“, meint Christoph Dabrowski. Einen Schwachpunkt sieht er in den Vorgaben des DFB. „Den jungen Menschen wird fast alles abgenommen. Sie brauchen sich z.B. nicht um schmutzige Trikots usw kümmern. Ich möchte lieber die individuellen Stärken fördern. Die Bolzplatzmentalität fehlt“. Volle Zustimmung meinerseits.

Der junge Christoph ist mit 6 Jahren zusammen mit seiner Mutter aus Polen nach Berlin ausgewandert. Sie hatten null-komma-nix, mussten völlig neu anfangen. Eine Erfahrung, die ihn geprägt habe. Er weiß, woher er kommt, ist demütig und kämpferisch.

Fast wäre er 2006 zur WM gefahren, als Spieler der Polnischen Nationalelf. Da er aber bereits für eine U-Mannschaft des DFB aufgelaufen war, ließen die damaligen Regularien einen Nationenwechsel nicht zu. Heute wäre es möglich gewesen.

Dabro hadert nicht darüber. Überhaupt, sein Motto ist eindeutig wie einleuchtend: Scheitern ist kein Gedanke wert. Ich habe Lust aufs Gewinnen und das will ich auch den Spielern vermitteln.

Da kann ich mir eine Scheibe von abschneiden.

Einen Trainerfavoriten oder Vorbild gibt es nicht. „Alle Trainer hatten ihre Vor- und Nachteile. Von jedem konnte ich eine Menge lernen, egal ob es Funkel, Neururer, Koller oder wer auch immer war“.

Als Spieler mag er so Typen wie Stefan Effenberg. Einer, der vorangeht, der mitreißen kann. Bei RWE wird sich herauskristallisieren, wer in eine ähnliche Rolle wachsen kann. „Da sind schon einige Kandidaten“.

Die Kapitänsfrage hat sich am Tage des Treffens bereits geklärt. Daniel Heber, eine leichte Wahl. Da brauchte er nicht groß überlegen.

Ob er einen Lieblingsmusiker/Musikerin oder Band habe, frage ich ihn. „Nö, ich mag die ganze Palette, querbeet“. Beim Lesen bevorzugt er dagegen Biografien. Gerne auch von Fußballern und Trainergrößen.

Ein Blick auf die Uhr, boar, schon über eine Stunde sitzen wir zusammen.

Das Kennenlerntreffen ohne Überreichung eines Unkaputtbar-Shirt ist möglich, aber nicht sinnvoll.

Seine Freude über dieses Präsent kann er nicht verbergen. Wie in einer Bewegung zieht er sich den kostbaren Stoff der Uralt-Ultras über seinen Astralkörper.

Es steht ihm ausgezeichnet. Wenn nur das Gesicht nicht so jung wirken würde, könnte er glatt als Uralter durchgehen.

Noah Peil kommt extra hoch und schießt noch schnell und gekonnt Beweisfotos.

Für mich war es ein echtes Vergnügen, Dabro sprechen zu dürfen. Obwohl er gut 13 cm größer ist, lief das Gespräch auf Augenhöhe ab.

Gutgelaunt verabschiedeten wir uns voneinander. Im Gehen verriet er mir dann noch seinen Spitznamen aus Bremer Zeiten. „Happo, man nannte mich Barry. Nach dem Soulsänger, Barry White. Die Songs hab´ ich reihenweise vorgetragen“.

Wieder war ich überrascht.

„Your the First, the Last, my Everything“. Haha. Ich hätte eher auf Roy Black getippt.